Gefühlsstarke, hochsensible & temperamentvolle Kinder: So gelingt der Umgang mit Frust und Wut
Wenn Kinder schneller explodieren, als man „Schuhe anziehen“ sagen kann
„Wir haben zwei Söhne, die genau so geliefert wurden, wie wir sie bestellt haben: wild, laut, stark!“ – so beginnt die Geschichte einer Mutter, die ich in meiner Praxis begleitet habe.
Ihr jüngster Sohn, damals vier Jahre alt, ist temperamentvoll, hochsensibel und unglaublich gefühlsstark. Klingt nach Abenteuer? Ist es auch – manchmal aber eher nach Actionfilm als nach Kuschel-Kino.
Gerade in einer Phase, in der der ältere Bruder gemobbt wurde, explodierte der Kleine noch heftiger: schneller, als man ‚Schuhe anziehen‘ sagen konnte.
Frustration im Alltag: Von Schuhen und Sockennähten
Die Mutter erzählt von einer besonders nervenzehrenden Episode: Schuhe.
Socken. Nähte. Ein Drama in fünf Akten.
Der Junge spürte jede Naht, warf Schuhe in die Ecke, verweigerte sich konsequent. Das Ergebnis: Er lief vom Sommer bis in den November barfuß durch Stadt, Jahrmarkt und Supermarkt. Ohne sich je zu verletzen.
Die Eltern probierten alles – Marken, Modelle, Überzeugungsversuche, irgendwann sogar Zwang. Doch je mehr Druck sie machten, desto heftiger der Widerstand.
Der Wendepunkt: Anerkennung statt Machtkampf
Nach einem besonders kräftezehrenden Kampf saß die Mutter erschöpft mit ihrem Sohn auf dem Boden. Sie sagte:
„Ich verstehe es jetzt. Du hasst Schuhe wirklich. Für dich ist das schlimm.“
Und sie versprach: Von nun an sollte er selbst über seine Kleidung entscheiden. Keine Kämpfe mehr.
Fünf Tage später fiel der erste Schnee. Der Junge lief barfuß drei Schritte – und fragte dann leise, ob er bitte seine Winterstiefel haben dürfe. Er zog sie an. Und trug sie. Ohne Probleme.
Und das Unglaubliche: Diese Stiefel blieben an seinen Füßen – den ganzen Winter über, bis hinein in den nächsten Sommer. Selbst am Strand stapfte er damit herum, stolz wie ein kleiner Rockstar mit ganz eigenem Style.
Die Mutter resümiert:
„Ich habe gelernt: Zuerst kommt Anerkennung. Dann die Lösung. Und dass das, was andere Menschen über uns denken, ohnehin nicht in meiner Kontrolle ist.“
Gefühlsstarke, hochsensible und temperamentvolle Kinder und ihr Gehirn
Warum sind manche Kinder so explosiv?
Die Antwort liegt im Gehirn: Der präfrontale Kortex – zuständig für Selbstkontrolle und Emotionsregulation – ist bei Kindern noch nicht ausgereift. Und das dauert: bis weit ins junge Erwachsenenalter hinein. Und Hochsensible haben ohnehin ein Gehirn, mit einem Filter, der mehr Reize durchlässt als andere. Und das länger braucht, um Emotionen und Perspektiven zu mischen.
In Wut- und Frustmomenten übernimmt daher das Notfallprogramm: Stresshormone, Alarm, Emotion pur.
Das fühlt sich für Kinder an wie ein Flugzeug in heftigen Turbulenzen: Sauerstoffmasken fallen, Gepäck fliegt, Panik bricht aus.
Eltern als Piloten im Sturm
Und wir Eltern? Wir sind die Piloten.
Stell dir vor, in dieser Lage kommt der Kapitän in die Kabine und fragt nervös, ob jemand das Handbuch gelesen hat. Oder ob wir einen Tee wollen. Panik pur!
Kinder brauchen Eltern, die auch in Turbulenzen Ruhe und Sicherheit ausstrahlen. Nicht perfekt – aber stabil genug, um den Kurs zu halten.
5 Strategien, die im Alltag helfen
Tempo rausnehmen
Selbst tief durchatmen, langsamer, ruhiger sprechen (ist trainierbar), Präsenz zeigen.Neutral bleiben
Nichts persönlich nehmen. Auch nicht das „Arsch-Mama!“ mitten im Wutanfall. Es geht gerade nicht um dich.Gefühle anerkennen
Weniger reden, mehr fühlen. „Ich sehe, das ist schwer für dich.“Emotion aushalten
Frust und Wut nicht schönreden, sondern begleiten, bis sie sich in Tränen wandeln. Hier wächst Resilienz.Nach dem Sturm verbinden
Abends im sicheren Hafen: kuscheln, lachen, Alternativen aufzeigen und das skripten.
Wenn Aggression ansteckt
Was viele Eltern nicht wissen: Emotionen sind hoch ansteckend. Wenn das Kind explodiert, steigen auch unsere Stresshormone. Deshalb fühlen wir uns nach solchen Szenen oft leer, schuldig oder sogar wütend auf uns selbst.
Der erste Schritt ist daher immer: Selbstberuhigung. Nur wenn wir als Kapitän einigermaßen stabil bleiben, kann das Kind sich wieder orientieren.
Frust und Wut als Trainingslager für Resilienz
So anstrengend es ist: Jedes Mal, wenn ein Kind einen Fruststurm durchlebt und wir es dabei begleiten, trainiert es seine innere Widerstandskraft. Es lernt: „Es war schlimm – aber ich habe es überlebt.“
Fazit: Ahoi, Kapitän!
Gefühlsstarke, hochsensible und temperamentvolle Kinder bringen uns Eltern oft an die Grenzen – und genau da liegt das Geschenk: Sie fordern uns heraus, Beziehung statt Machtkampf zu leben.
Das Leben bringt Wellen – aber du kannst lernen, sie zu surfen. Und daran wachsen.
Und eines Tages werden genau diese Kinder mit ihrer Energie, Klarheit und Kreativität die Welt verändern.
Ahoi, Kapitän – genieße die Reise!
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